Fischzug

Fischzüge in der Wied

von Karl Hofmann

Die Fischerei war ursprünglich dem Grundherrn vorbehalten. Als Gräfin Mechthildis von Sayn, die um die Mitte des 13. Jahrhunderts auf der Neuerburg bei Niederbreitbach im Fockenbachtal lebte, ihre Besitzungen dem Erzbistum Köln überschrieb, nahm sie jedoch einen Teil der Fischereigerechtigkeit aus. Sie vermachte den Bewohnern des Amtes Neuerburg als sogenanntes Unterrecht den Maizug, d.h. das Recht, im Mai die Wied innerhalb des Amtes Neuerburg zu befischen. Dieses Recht der Untertanen wurde später von Kurköln als auch von den Fürsten zu Wied und den Herzögen von Nassau voll anerkannt. Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts hatte sich das bislang eingeschränkte Recht zu einem uneingeschränkten entwickelt. Im Amt Neuerburg bestanden somit zweierlei Fischereirechte, das Fürstlich-Wiedische Recht einerseits und das Recht der Bürger andererseits. Das Preußische Fischereigesetz von 1874 hat die bürgerlichen Rechte aufgehoben und sie in den Besitz der Gemeinden Niederbreitbach, Bremscheid (heute Hausen) und Waldbreitbach übertragen. Verwaltet wurden sie von der Amtsverwaltung Neuerburg zu Waldbreitbach, der jetzigen Verbandsgemeindeverwaltung. Da es immer wieder zu Differenzen zwischen der Fürstlich-Wiedischen Verwaltung und den Gemeinden kam, wurde das Fürstliche Recht von den Gemeinden angepachtet. Auch damit konnten die Differenzen nicht ausgeräumt werden. Um dies zu umgehen, wurde im Jahre 1979 das Fürstlich Wiedische Recht angekauft. Anfang der 1960er Jahre wurde trotz Interventionen des amtierenden Bürgermeisters Josef Becker der Fischzug von der Bezirksregierung Koblenz verboten, da in der Form des Fischens mit Netzen ein fischgerechtes Fangen angeblich nicht mehr vertretbar sei.

Zu den Fischzügen in der Gemeinde Waldbreitbach ist folgendes zu bemerken: Es sollten keine Edelfische wie Hechte, Forellen, Aale oder Rotaugen sondern nur Weißfische wie Makrelen (Nase) oder Döbel gefangen werden. Die Maßgabe wurde aber nicht so genau befolgt.

Der Maizug musste im Mai durchgeführt werden, konnte jedoch bei widrigen Wasserverhältnissen noch im Juni stattfinden. Die Fischzüge hingegen durften zu allen Zeiten, bis zu viermal jährlich, durchgeführt werden. Innerhalb der Gemeinde wurde in vier Abschnitten gefischt: Von „Kapelle Keulchen“ (Kreuzkapelle) bis zum Strandbad, vom Strandbad bis zum „Hochscheider Seifen“, von dort bis zu den „Lacher Schwertern“ (Lache) und alsdann bis nach Roßbach. Roßbach hatte ein besonderes Recht; dort hatten 18 Wied-Anlieger das Fischereirecht von der Mündung des Maßbaches „Beck’s Scheune“ bis zum „Alten Pochwerk“ unterhalb der Weißenfelser Ley.

Jedes Jahr wurde in Waldbreitbach ein neuer Fischmeister bestimmt. Dieser überwachte den Fischzug und zog einen Obolus (zuletzt waren es 5 DM) ein. Die letzten Fischmeister waren Wilhelm Schütz und Willi Zimmermann. Die Netze wurden von Michel Becker geknüpft. An den Fischzügen nahmen zwischen 30 und 40 Männer, alle gemeindezugehörig, teil. Sie mussten mindestens 18 Jahre alt sein. Die Teilnahme war auch Jugendlichen gestattet, die als sogenannte „Trettscher“ mit Stangen aus den Schilfgürteln und dem Bachkraut die sich dort versteckten Fische heraus jagten.

Das Netz hatte ein Ausmaß von 1,5 x 1,5 m, war engmaschig mit 1 cm im Quadrat. Es hing an zwei gebogenen Bügeln aus Haselnuss- oder Hainbuchenholz, die wiederum mit einem Seil an einer Stange befestigt waren. Dies bewirkte, dass das ganze flexibel, also beim Heben oder Setzen des Netzes, beweglich war. Es wurde in zwei oder drei Reihen gefischt. Während auf Kommando eine Reihe setzte, hob die andere die Netze. So ging es schrittweise bis zum Ende des Fischereiabschnittes, der von Fischern mit Standnetzen abgesperrt war, damit die Fische nicht die Wied aufwärts entweichen konnten.

Die Fischer trugen vollständige Kleidung, öfters zwei Garnituren Unterwäsche, Hose, Jacke und Schuhe; damit war die Isolation der Körperwärme gewährleistet. Unter den Hüten wurden die Raucherutensilien verstaut. Um den Hals hatte der Fischer ein Säckchen hängen, in das er die gefangenen Fische verstaute. Nach Bedarf wurde entleert und die Fische mit Schilf zugedeckt. Waren die Körbe gefüllt, wurden sie in die ehemalige Pumpstation in Nähe des Hotels Elisenruh zum Kühlen verbracht.

Die erfahrenen Fischer spürten schon, wenn ein Fisch gegen das gestellte Netz stieß und hoben blitzschnell. Sie waren meistens erfolgreich. Die unerfahrenen, denen schon einmal Fische durchgingen, wurden reichlich mit „Schännes“ bedacht. Zur Mittagszeit brachten die Frauen und Kinder den „Henkelmann“.

Quelle: Auszug aus dem Buch von Karl Hofmann; Vom Malbergskopf zum Roßbacher Häubchen, 2. Auflage 1990, Selbstverlag