Chronik „Vier Jahreszeiten“ Waldbreitbach – Ein früherer Landgasthof in zentraler Lage
Text von Richard Schicker (Nov. 1997) – Quelle u. a.: Archiv der Verbandsgemeinde Waldbreitbach
Beim Betrachten der Fotographie – vermutlich um 1925 – hat man den Eindruck, dass alle Personen die sich zum Gruppenfoto postierten, mit frohen, zufriedenen Mienen ihrem Wohlbefinden während ihrer „Sommerfrische“ im Hotel „Vier Jahreszeiten“ Waldbreitbach, zum Ausdruck bringen wollen.
Die Garderobe der Gesellschaft, wie auch deren legere Haltung, geben Zeugnis, dass es sich um Gäste handelt, die in rheinischen Städten zu Hause sind. Ob dem flotten Flitzer mit Eisenfelgen und Vollgummibereifung das grobe Dorfpflaster bekommen ist?
Die Hausherrin Witwe Kröll, gleich links neben dem Hauseingang stehend, hat sich bei ihren Gästen eingereiht. Denkbar wäre, dass sie an diesem sommerlichen Tag ein gutes Geschäft wittert. Selbst das Dienstpersonal erlaubte sich im 1. Stock, jeweils im Fenster links und rechtsaußen, zu präsentieren. Eine davon, die mit der blitzsauberen Schürze, zuständig für die Bedienung und das Servieren, ahnte nichts von den beruflichen Restriktiven, denen Frauen, speziell im Gastgewerbe, noch in den zurückliegenden Jahren, ausgesetzt waren. Nur wenige Jahrzehnte zurück, etwa 1860, ergingen von der „oberen Behörde“ sehr einschränkende amtliche Empfehlungen. Es heißt: „… einer Bedienung durch weibliche Personen, ob es nun Fremde sind oder Angehörige des Wirtes, sei mit Rücksicht auf die durch den Dienst hervorgerufene Gefährdung der Sittlichkeit durch entscheidende Maaßregeln vorzubeugen.“
Von einem allgemeinen Verbot, so die Tendenz, wolle die königliche Regierung zu Koblenz in der betreffenden Verfügung absehen. Für diejenigen Lokale aber, bei denen die Bedeutung des Verkehrs oder „sonstige Verhältnisse“ es nötig erscheinen lasse, habe der zuständige Landrat den Einsatz „männlicher Bedienung“ binnen einer angemessenen Frist anzuordnen. Bei Verängerung oder Neubewilligung einer Conzession werde man davon Gebrauch machen.
Anmerkung der Redaktion
„Schänke ist die historische Bezeichnung für eine Gaststätte mit Krugrecht. Die Schreibweisen „Schenke“ (zu „ausschenken“) und „Schänke“ (zu „Ausschank“) sind gleichermaßen zulässig. Ein modernes Synonym ist Kneipe, der Begriff Kabarett leitet sich vom französischen Wort für Schänke, cabaret, ab. …“ (Quelle: Wikipedia )
Bis zum Jahre 1899 war der Gasthof im Besitz von Matthias Zimmermann, der aus Engers stammte. Dessen Tochter Maria verheiratete sich 1890 mit Jacob Kröll. Jacob war Nachbar, Sohn des Waldbreitbacher Gastwirt’s und Bäcker Johann Kröll, aus dem Hause „Ah’l Krölls“, Nunmehr im Laufe der Jahre nannten die „Dorfleut“ den Gasthof des Jacob Kröll „Neu Krölls“.
Auf dem Standort unmittelbar vor der Kirchtreppe im Zentrum des Dorfes, bewährten sich die „Neu Krölls“ als treffliche „Wirtsleut“. Deren Lokal war mit ausreichender Möblierung und einer Bierdruckpumpe ausgestattet, was lange nicht überall anzutreffen war. Im Umfeld des alten Dorfkreuzes gab es ja noch andere Schenk- oder Gastwirtschaften, speziell dort 3 Betriebe, die teilweise eine bemerkenswerte Tradition nachweisen konnten. Aber um die Zeit von 1890 hatten die jungen Wirtsleut von „Neu Krölls“ die weitaus beste Frequenz. Wie würde es sich sonst auf Grund einer amtlichen Erhebung über Schankbetriebe mit Fassbier erklären, dass die „Neu Krölls“ monatlich einen Ausstoß von 600 L, die benachbarte örtliche Konkurrenz aber im Ausschank jeweils nur 195 oder 225 L gezapftes Bier absetzte.
Der junge Wirt verlor bereits nach 6 Jahren Ehe seine junge Frau, die nur ein Alter von 28 Jahren erreichte und 3 kleine Kinder hinterlies. 1898 verheiratete er sich mit der Köchin Anna Maria Gassen aus Insul in der Eifel. 1899 gebar sie einen Sohn, welcher selbstverständlich den Namen „Jacob“ führen sollte. Bald schon gesellten sich zwei Geschwister hinzu, Maria und Klara.
Ab 1906/1907 musste die Anna Maria Kröll als Witwe den Betrieb alleine weiter führen. Erst in den Zwanziger Jahren, als diese Aufnahme gemacht wurde, konnte sie auf die Unterstützung ihres Sohnes Jacob setzen. Dieser war übrigens musikalisch auffallend begabt. Bald beherrschte der junge „Cöbes“ mit seinen langen Fingern virtuos das Klavier. Er begeisterte als anerkannter Pianist seine Kundschaft aus dem reizvollen Repertoire der Zwanziger Jahre. Wie viele Anderen war es „Cöbes“ nicht vergönnt aus dem letzten Kriege zu seiner Frau Johanna und Söhnchen Karl Heinz zurück zu kehren.
Das alte Hotel, wie im Foto dargestellt, wurde im Jahre 1959 abgerissen und durch einen Neubau ersetzt, der auf Pfingsten 1960 neu eröffnet wurde. Noch heute wird der von der Familie Karl Heinz Kröll und seiner Frau Helmi, geb. Girnstein, als Hotel betrieben.
Mit Errichtung des neuen Hauses war es nun mit einer seltsamen Kuriosität vorbei. Beispielsweise, wenn die Gäste im alten Wirtslokal im Parterre, sofern sie noch nüchtern waren, nun nimmermehr mit vergnüglichem oder aber bangen Blick ihre Augen auf die wankenden Denkenbalken richten konnten. Dann nämlich, wenn im Tanzsaal der 1. Etage temperamentvolle Paare zur zünftiger Blasmusik, bei schwungvollem Walzertakt oder rythmischem „Ländler“, das alte Gebälk zum Schaukeln brachten.