Anfang Oktober 2019 kontaktierte uns Frau Beck aus Krefeld. Sie hatte auf einem Flohmarkt ein altes Poesiealbum aus dem 19. Jahrhundert entdeckt und, weil es so schön war, spontan gekauft. Fast alle Eintragungen waren mit der Ortangabe „Commende Waldbreitbach“ angegeben. Frau Beck recherchierte im Internet und fand unsere Seite „Altes Waldbreitbach und nahm Kontakt zu uns auf. Sie bot an, uns das Posiealbum zur Ansicht zu zusenden.
Bei der ersten Durchsicht stellten wir fest, dass sich Frauen mit Sprüchen und Wünschen verewigt hatten, die scheinbar eine zeitlang in der Commende in Waldbreitbach lebten. Warum waren die Frauen 1888 in Waldbreitbach? Den angebenen Adressen zufolge kamen sie aus Bonn, Münster. Bocholt etc.. Unser Interesse war geweckt und wir begannen mit der Recherche. Leider kam uns dann die Corona-Pandemie in die Quere und wir mussten geduldig warten, bis wir Anfang 2022 unsere Arbeit fortsetzen konnten.
Wir wurden in einem Beitrag von Richard Schicker auf unserer Internetseite und in dem Buch von Friedrich Nassen „Führer durch das wildromantische Wiedthal“ aus dem Jahre 1898 (Seite 21) fündig:
„… Dank den Bemühungen unseres früheren Herrn Pastors J. Hermes blieb die Ordenscommende erhalten und ging durch Kauf in seinen Besitz über.
Im Jahre 1879 errichteten die Schwestern des genannten hochw. Herrn indemselben ein Haushaltungs- und Lehrpensionat. Zwölf Jahre lang leiteten sie mit liebevoller und aufopfernder Hingabe an ihre anvertrauten Zöglinge die Anstalt mit guten Erfolgen. Als im Herste 1891 die edle, unvergessliche Vorstehenin Cl. Hermes in die Ewigkeit abgerufen wurde, übernahm ihre Schwester die Leitung der höheren Töchterschule, bis sie am 1. April 1897 das Institut einer iher Lehrerinnen, Fräulein Waldmann, übertrug. …“
Wie lange die „höhere Töchterschule betrieben wurde, konnten wir leider noch nicht ermitteln. Fest steht, dass die Commende im Jahre 1929 von den Franziskaner Schwestern (Orden der Franziskanerinnen zu den heiligen Engeln, Waldbreitbach) übernommen wurde.
Weitere Informationen hierzu unter https://www.commende-waldbreitbach.de/sankt-rosa-stift-1929-1988/
Auszug aus wikipedia.de
„… Als höhere Mädchenschule oder höhere Töchterschule und regional auch Lyzeum, bzw. funktional auch als Mädchenpensionat, bezeichnete man eine Mädchenschule als Vorläufer der späteren Mädchengymnasien. Von den Schulstufen her waren diese Schulen mit der Sekundarstufe I vergleichbar, also der fünften bis zehnten Klasse des heutigen deutschen Schulsystems. …
Teilweise wurden solche Schulen auch als Stifte von Damen der Gesellschaft eingerichtet: So z. B. die 1857 in Tharandt als Louisenstift errichtete „Anstalt für Töchter höherer Stände“ der Louise Henriette von Mangoldt in Form einer Sammelschule mit verbundenem Pensionat.
Das Hauptziel war die Vorbereitung der jungen Mädchen auf ihre späteren häuslichen Pflichten als Gattin und Mutter. Wohlhabendere großbürgerliche und adlige Familien, die sich ein Schulgeld leisten konnten und denen es um eine etwas ernsterzunehmende Bildung ihrer Töchter zu tun war, schickten sie deshalb lieber in private Bildungsinstitute oder Mädchenpensionate, die den Anforderungen einer „höheren Schule“ eher gerecht wurden. Töchter weniger gut gestellter Familien verließen die höhere Mädchenschule häufig schon vorzeitig, sobald sie ihre Schulpflicht erfüllt hatten, weil andere häusliche Aufgaben auf sie warteten und Bildung in Bezug auf junge Frauen keinen hohen Stellenwert hatte.
Ende des 19. Jahrhunderts gab es in Preußen neben 213 öffentlichen höheren Mädchenschulen 656 private. …“
Link zum Textbeitrag „Höhere Mädchenschule“ auf wikipedia.de
Das Poesiealbum ist somit ein kleines Zeugnis der Waldbreitbacher Geschichte. Es ist schon erstaunlich, dass die „höhere Töchterschule“ so viele Frauen von weither nach Waldbreitbach brachte. Hier eine Liste der Namen aus dem Poesiealbum, ohne Anspruch auf Vollständigkeit:
Agnes Büchel, Münstermaifeld
Maria Ferber, Waldbreitbach
Emma Fuchs, Lambrecht/Pfalz
Maria Gerlach, Münster/Westfalen
Billa Goedecker, Coblenz am Rhein
Hedwig Hartmann, Cochem an der Mosel
Anna Hartmann, Cochem an der Mosel
Maria Hülser, Mönchengladbach
Hedwig Hoffschulte, Münster/Westfalen
Emma Jonen, Köln am Rhein
Maria Koppers, Münster/Westfalen
Therese Lechner, Münstermaifeld
Agnes Lenarz, ?
Maria Maas, Hof Winkel, Post Gillenfeld
M. v. Merveldt, Salzkotten
Maria Moritz, Hatzenport
Paula Müller, Münster/Westfalen
Elly Nachtigall, Kreuznach
Maria Offszanka, Münster/Westfalen
Ant. Sarrazin, Bocholt bei Wesel
Anna Schlepper, Geisenheim
Betty Stirtz, Bonn
Alide Viaerts, Groningen Holland
Edith E. Watson, ?
Maria Weber, Achterspannerhof (bei Ochtendung)
Elisabeth Wechler, Langenlonsheim
Mathilde Winkler, Metz
Franziska Witgert, Ransbach
Anna Wormstall, Münster/Westfalen
M. Wuthoff, Schmallenberg/Westfalen
Freundschaft nur verbindet,
Seelen zu der schönen Pflicht
und die Kränze, die sie windet,
welken selbst im Grabe nicht.
Zur freundlichen Erinnerung
an ihre Sie liebende
Therese Lechner